Von Jochen Bettzieche
|
Zur Hälfte verkauft
Viele Senioren haben ein Haus, aber zu wenig Geld. Einige Unternehmen bieten einen Teilerwerb der Immobilie an – doch Verbraucherschützer warnen.
Der Traum von der eigenen Immobilie – viele Menschen, die heute in Rente sind, haben sich diesen erfüllt. Vor 20, 30 oder schon 40 Jahren. Jahrzehntelang haben sie sich krummgelegt, um die Darlehen abzuzahlen. Nicht jeder konnte da nebenher noch finanzielle Reserven fürs Alter aufbauen. Bei den 70 bis 79 Jährigen stecken 69 Prozent des Vermögens in der selbst genutzten Immobilie, bei den 80 bis 89 Jährigen sind es 73 Prozent, hat Karolin Kirschenmann festgestellt, stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement am ZEW Mannheim.
Teileigner sollen eine Nutzungsgebühr zahlen – und für Instandhaltungen aufkommen
Wer im Alter verreisen oder auch nur die Immobilie instand halten will, braucht Geld. Kommt ein Pflegebedarf hinzu, sind Rücklagen ohnehin schnell aufgebraucht. Was tun, das Eigenheim verkaufen? Einige Unternehmen haben für solche Fälle ein Geschäftsmodell entwickelt: Sie bieten Senioren an, einen Teil der Immobilie zu kaufen. Das können zehn, zwanzig oder auch mehr Prozent sein. Der Haupteigentümer kann weiter in seinem Haus wohnen bleiben, zahlt aber für den verkauften Anteil eine Art Miete, monatliches Nutzungsentgelt oder Nutzungsgebühr genannt. Doch Verbraucherschützer warnen vor diesem Modell, aus verschiedenen Gründen.
Denn anders als bei Mietverhältnissen bleiben die Verbraucher hier auf den Kosten für die Instandhaltung sitzen, warnt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Hier sollen Sie als Teileigner der Immobilie eine Art Miete in Form einer Nutzungsgebühr zahlen und die kompletten Kosten für Investitionen beziehungsweise Instandhaltungen tragen.“ Und was ist, wenn die Senioren später auch noch die restlichen Anteile verkaufen wollen? Das geht, dann kommt das ganze Objekt auf den Markt und die Rentner erhalten einen entsprechenden Anteil vom Verkaufspreis. Davon müssen sie aber oft noch eine Gebühr von mehreren Prozent an den Miteigentümer abführen, erläutert Nauhauser.
Mindestens ein Anbieter sichere sich zudem vor Verlustrisiken ab: „Wird die Immobilie später komplett verkauft, bekommt der Anbieter mindestens sein investiertes Geld sowie 17 Prozent als Minimum zurück, profitiert aber auch von darüber hinaus gehenden Wertsteigerungen.“ Otto Kiebler, Gründer und Geschäftsführer von Hausplusrente, hält das für unseriös: „Entweder vereinbart man einen fixen Mindesterlös oder eine Beteiligung an der Wertsteigerung, aber nicht eine Kombination, bei der man sich das Beste aussucht.“ Ein Teilverkauf ist für Kiebler nur in drei Fällen eine Option: Entweder man ist optimistisch, dass man seinen Anteil später zurückkaufen kann, oder man bekommt von der Bank kein Darlehen mehr oder man ist noch zu jung für eine Verrentung.
Bei Kieblers Modell verkauft der Eigentümer sein Haus komplett und erhält im Gegenzug ein Nießbrauchrecht. Um den Preis zu ermitteln, wird vom Wert der Immobilie der Wert des Nießbrauchs auf Basis der statistischen Lebenserwartung des Verkäufers abgezogen. „Wirtschaftlich sinnvoll ist das ab einem Alter von ungefähr 70 Jahren“, sagt Kiebler, andernfalls seien die Abschläge sehr hoch. Wer im Alter Geld benötigt und gleichzeitig Gutes tun will, kann seine Immobilie auch stiften. In der Region Krefeld ermöglicht das beispielsweise die Caritas. Im Gegenzug für das Objekt erhalten die Verkäufer ein Wohnrecht auf Lebzeiten sowie regelmäßige Zahlungen über zehn Jahre. Instandhaltung ist Sache der Caritas. „Die Immobilienbesitzer bekommen allerdings nie den Wert, den sie bei einem Verkauf auf dem freien Markt erhalten würden“, erklärt Hans-Georg Liegener, bis Ende 2020 Vorstandsvorsitzender bei der Caritas Krefeld, der das Modell initiiert hat. Ein gewisser Wert müsse auch bei der Stiftung verbleiben. Ein ähnliches Modell bietet die Stiftung Liebenau bundesweit an. Christoph Sedlmeier, Leiter der Abteilung Zustifterrente bei der Stiftung, rechnet vor: „Bei einer circa 70-jährigen Frau beträgt der Wert des Wohnungsrechtes in der Regel circa 50 Prozent des Immobilienwertes – es bleibt also nur die Hälfte für die Verrentung und alle Risiken und Nebenkosten.“ Auf dieser Basis wird dann eine befristete oder lebenslange monatliche Zahlung berechnet.
An Unternehmen verkaufen? Was mit Fremden geht, geht auch in der Familie
Leibrente, Immobilienrente, Teilverkauf? Oft gibt es eine andere Lösung für das Liquiditätsproblem. „Erst mal sollte man mit den Erben reden“, empfiehlt Anton Steiner, Präsident beim Deutschen Forum für Erbrecht. Aufgrund der hohen Steuerfreibeträge könne es sinnvoll sein, die Immobilie schrittweise auf die nächste Generation zu übertragen. Der Wert eines Nießbrauchs werde dabei vom Wert des Objekts abgezogen, was unter Umständen Steuern spare. Im Gegenzug könnten die Erben den Senioren monatlich Geld überweisen, um deren Liquidität zu verbessern.
Bei einer teilentgeltlichen Schenkung könne der Kaufpreis in Raten überwiesen werden. Steiner: „Was ich mit Fremden machen kann, kann ich selbstverständlich auch in der eigenen Familie machen.“ Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg, kennt ebenfalls die verschiedenen Angebote, die Senioren unterbreitet werden und ist skeptisch: „Es gibt jetzt eine ganze Menge von Start-ups in diesem Bereich, aber selbst, wenn sie seriös sind, gilt, gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.“
Intransparente Bewertungen, Instandhaltungen zu Lasten der Verkäufer – der Wirtschaftsprofessor kennt viele Knackpunkte: „Die Käufer lassen sich ihre Dienstleistung gut bezahlen, das kann für den Verkäufer teuer werden.“ Zudem sind ihm viele Modelle vor allem eines: zu kompliziert. Er empfiehlt stattdessen, die Immobilie zu beleihen. Also ein Darlehen aufzunehmen und die Immobilie als Sicherheit einzubringen.
Auch Verbraucherschützer Nauhauser zieht diese Variante vor, nicht nur wegen der Planungssicherheit: „Ein Verkauf der Immobilie–zum Beispiel im Pflegefall – ist dann in den meisten Fällen möglich.“ Allerdings zeigen Anfragen bei Banken: Viele Kreditinstitute, sowohl regionale als auch überregionale, winken ab. Doch es gibt Ausnahmen. So heißt es bei der GLS-Bank, so ein Verfahren sei „nicht unüblich“.
Auch die Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg (VRSta) zeigt sich beim Thema Immobilienrente aufgeschlossen. Dort erhalten Kunden einen Kreditrahmen auf Basis des Beleihungswerts ihrer Immobilie abzüglich eines Sicherheitsabschlags. Zinsen zahlen sie nur für das Geld, das sie tatsächlich abrufen, nicht für die Bereitstellung der Summe. Tilgungen sind jederzeit möglich, bei unbegrenzter Laufzeit. „Der große Vorteil ist, dass der Kunde Eigentümer seiner Immobilie bleibt und in dieser auch wohnen bleiben kann“, erklärt Markus Stegmann, Leiter Bauen und Wohnen bei dem Geldinstitut.